Der Akademische Ski Club München wurde 1901 von 8 Mitgliedern des Schwarzwälder Skiclubs in Freiburg gegründet, die zum Studieren nach München kamen. Ein hiesiger Skiclub war bereits wieder in Auflösung, vielleicht weil der Skisport nach damaliger Auffassung nur in der Ebene oder in den Mittelgebirgen stattfinden konnte. Steile Alpengipfel mit Skiern abzufahren galt als unmöglich bzw. selbstmörderisch, was bei dem damaligen Gerät mit den bis über 3 m langen Latten durchaus verständlich war.

Die jungen Studenten des neu gegründeten Clubs brachten neues Material und Können mit und es zog sie gerade in die Alpen, sie bestiegen nicht nur den nahe gelegenen Wallberg und die umliegenden bayerischen Berge mit Ski, sondern wurden auch in Österreich und in der Schweiz aktiv, besonders gerne in den Kitzbühlern; Theodor Herzog bezwang als erster die Zugspitze mit Ski. Unsere skiläuferischen Vorfahren übten ihr Pioniertum so begeistert aus, dass sie sogar schon bald einen Skiführer für die nähere Umgebung herausgaben.

Von links: Hiby, Helmut, Albrecht, Eichkatz

An vielen Orten in den Alpen zogen sie als erste Spuren in den Schnee, viele Gipfel bezwangen sie zum ersten Mal im Winter per Ski. Wie unerhört diese Leistungen von damals aus waren, lässt sich auch vom Komischen her ein wenig ermessen. Theodor Herzog, dem etwa auch die erste Durchquerung der Berninagruppe im Winter mit Ski gelang, erinnerte sich: „Wir kamen als erste nach Hopfgarten, Jochberg, nach Kelchsau und ins Alpbachtal, wo man uns wie Wundertiere mit unseren Ski bestaunte“. Mancher brave Alpentalbewohner argwöhnte wohl gar (ziemlich hellsichtig) eine Invasion, wenn unsere Altvorderen mit ihrem geschulterten Hölzern daher kamen. Theodor Herzog: „Wir ahnten nicht, welchen Staub wir mit unseren Brettern aufwirbeln würden. Auf dem Weg vom Bahnhof liefen uns die Schulkinder lachend und johlend nach, als ob wir aus einem Circus oder einer Menagerie ausgebrochen seien, so unerhört neu war diese Sache in der Schweiz noch“. Und über einen anderen künftig berühmten Schweizer Skiort schreibt er: „Wir bekamen kein Quartier, da man uns misstraute und mit unserem verdächtigen Gerät von der Tür wies“. So ändern sich die Zeiten…

Der Akademische Ski Club München veranstaltete auch Skikurse (vor allem in Bayrischzell), die begeisterten Zuspruch fanden, sogar beim Militär, das gleich mit einem Leutnant, 2 Unteroffizieren und 10 Mann hoch anrückte. Unser norwegisches Mitglied Tor Leif gab sogar der bayerischen Königsfamilie Skiunterricht. Von ihm wird überliefert, wie er aufgrund einer Wette nach durchmachter Faschingsnacht auf geliehenen Skiern und noch in Frack und Zylinder an einem großen Langlaufrennen teilnahm und zudem gewann.

Links: "Bruno Biehler" (Architekt der Hütte)

Am aufkommenden Skirennsport beteiligten sich die Clubmitglieder höchst erfolgreich. Als ein Telegramm 1903 über den Sieg von Nutsch Gruber beim Skispringen in Adelboden einging und dabei ASCM zu ASEM verstümmelt wurde, passierte die Umtaufung unseres Clubs zum „ASEM“ und die seiner Mitglieder zu „Asemiten“. Die Aufzählung ihrer Rennerfolge in Sankt Anton, Garmisch, Nesselwang, Mitterndorf, Kitzbühel und anderswo nehmen im Jahresbericht von 1911 zwei Seiten ein. In dieser Festschrift zum zehnjährigen Bestehen gibt es aber auch noch eine lange Liste von akademischen Vorträgen, die von 13 Mitgliedern gehalten wurden, herausragend unter ihnen Wilhelm Paulke, anerkannt als einer der großen Skipioniere der Alpen. Nebenbei standen 1911 noch zwei vom ASEM erstmals mit Skiern auf dem Kilimandscharo, Sigi König und Walther Furtwängler.

Liste der Rennerfolge aus dem Jahresbericht 1910

Wie sich der Akademische Ski Club München dann von seiner Pionierrolle löste und in neue Richtung zu entwickeln begann, vermittelt am besten die Einleitung zu der erwähnten Jubiläumsschrift.

„Unserem Club war es vergönnt, in der kurzen Zeit seines Bestehens eine große Anzahl von Aufgaben glücklich durchzuführen und in den Organisationen der Münchner Skivereine und des deutschen Skiverbandes (er wurde vom ASCM mitbegründet) ein gewichtiges Wort mitzureden. Unsere Skikurse haben Schule gemacht, in und um München schossen ähnliche Veranstaltungen in die Höhe. Das war für uns ein Zeichen, dass unsere Propaganda Arbeit getan sei. Eine Steigerung des Erfolges unserer Kurse war nicht mehr möglich. So zogen wir uns denn ganz zurück und überließen anderen das Feld. Nur für etwas mussten wir Ersatz schaffen. Die Kurswoche hatte uns auch regelmäßig alte treue Mitglieder von auswärts zugeführt. So schufen wir uns denn einen neuen Vereinigungspunkt in der Tourenwoche, die regelmäßig vom 1. bis 6. Januar nur Mitglieder des Clubs zu gemeinsamen Touren in irgendeinen schönen Winkel der Alpen vereinigt. Zürs am Flexenpass, Riezlern im Kleinwalsertal, Klosters im Prätigau sind diese Stätten gewesen. Jede der Zusammenkünfte hat in ihrer Art starke Eindrücke hinterlassen, jede hat neue Bande zwischen Alt und Jung geknüpft, alte befestigt.

So ist uns über den Rahmen eines Sportklubs hinaus unsere Vereinigung zu einem festen Bande geworden, das die an Heimat, Erziehung, Charakter und Streben so unendlich verschiedenen Elemente umspannt hält…“

Auch der Dadaist Grünwald beispielsweise wurde da später umspannt oder der Nobelpreisträger „Fitzi” Lynen.

Die Tourenwoche hat als „Clubwoche“ überlebt, sie bildet im März oder April inzwischen unsere wichtigste Veranstaltung. Aus der ursprünglichen Schnitzeljagd in den Skikursen ist dabei die beliebte Fuchsjagd geworden: der Fuchs stürzt sich als erster auf Ski zu Tal und die Meute der Fänger hinterher und wer als 1. die Mütze erbeutet, ist neuer Fuchs.

Der „ASEM“ ist auch nach weit über 100 Jahren ein enger Freundeskreis geblieben und das Gegenteil von Massenveranstaltung. Das alte Prinzip der Einstimmigkeit bei der Aufnahme neuer Mitglieder wurde allerdings schon vor langem aufgegeben und Frauen kamen als Mitglieder hinzu, was eine neue Ära und einen neuen Geist im Clubleben einleitete. Die Wandlung hin zu Neuem mit Bewahrung guter Tradition ist dem „ASEM“ über die Zeiten hinweg erstaunlich gut geglückt. Es lohnt, sich hin und wieder bewusst zu machen, was für ein einzigartiges und kostbares Gebilde er doch darstellt, mit Freunden und Freundinnen, die immerzu erhalten bleiben, selbst wenn die Umstände das aktive Teilnehmen länger vereiteln. Ein wenig stolz können wir schon darauf sein, dass unsere Vorfahren als Avantgarde das Bergsteigen mit Ski ins Hochgebirge und in die Köpfe brachten.

Auf der ASEM-Hütte gibt es einen Sammelband sämtlicher Jahresberichte, die viel besser als jede Chronik die Geschichte nicht nur unseres Clubs, sondern auch darüber hinaus vor Augen führen kann – man liest die Nacht durch und vermag kaum aufzuhören. Wie zum Beispiel im Ersten Weltkrieg die Jugend des ASEM damit umging, ständig den Tod vor Augen zu haben und zu erfahren, dass wieder einer der ihren gefallen war (16 waren es!), das vermittelt auf’s eindringlichste „lebendige Geschichte“.

Ein Zentrum des ASCM bildet nach wie vor „die Hütte“ (benannt nach Uli Wieland, der 1934 am Nanga Parbat umkam). 1929 hatten die Mitglieder die Energie und die Mittel aufgebracht, unterhalb des Rosskopf im Spitzinggebiet aus eigener Kraft eine zeitlos schöne Hütte zu bauen, entworfen von Bruno Bieler und Hannes Rau. Sie steht sogar auf eigenem Grund, den Adolf Seitz durch eine Tauschaktion mit der Forstverwaltung erworben und dem Club gestiftet hatte.

Immer noch ein Schmuckstück ist sie ein viel geliebter Treffpunkt im Winter wie im Sommer, für Junge und Alte. Sie verkörpert geradezu einen Teil unserer Historie und die begeisterten Einträge im Hüttenbuch bezeugen, wie sie die Besucher, ob Mitglied oder nicht, immer wieder in ihren Bann schlägt. Und ob ihr es glaubt oder nicht, da oben im eigenen Wald Holz zu machen, bei der traditionellen „Holzaktion“, das kann zu einem Erlebnis führen, dem gegenüber Esoterikseminare oder Incentive-Events blass aussehen.

  • Otto Funke
  • August Michahelles
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